Hilfe, mein Hund/meine Katze juckt sich!


 

Diese und ähnliche Berichte hören wir in unserer dermatologischen Sprechstunde täglich. Hauterkrankungen beim Tier, insbesondere Allergien, kommen wie beim Mensch immer häufiger vor.

Wie in der Humanmedizin ermöglichen spezielles Fachwissen, langjährige Erfahrung und spezifische Untersuchungsmethoden die Ermittlung der Ursache einer Hauterkrankung. Nur so kann eine zielgerichtete und erfolgreiche Behandlung erfolgen. Da die juckende Hauterkrankung Ihres Tieres viele verschiedene Ursachen haben kann, wird zunächst ein ausführliches Vorgespräch geführt, in dem es unter anderem um folgende Fragen geht: 

  • Woher kommt ihr Tier (Herkunft)?

  • Seit wann juckt sich ihr Tier (in welchem Alter erstmalig)?

  • Juckt es sich ganzjährig oder nur saisonal (Frühjahr, Sommer, Herbst)?

  • Haben Sie noch weitere Tiere im Haushalt, wenn ja sind diese auch erkrankt?

  • Sind Menschen ebenfalls erkrankt?

 

Die Beantwortung dieser und individuell weiterer Fragen entscheidet über das diagnostische und therapeutische Vorgehen. Im Folgenden soll auf die häufigsten Hauterkrankungen, die mit Juckreiz einhergehen, eingegangen werden:
 

1. Parasitäre Hauterkrankungen

1.1 Flohspeichelallergie

1.2 Milben 

1.2.1 Sarcoptesräude 

1.2.2 Cheyletiellose 

1.2.3 Demodikose

1.2.4 Herbstgrasmilben

2. Futtermittelallergie

3. Atopische Dermatitis (Allergie auf Umgebungsallergene)



 

1. Parasitäre Hauterkrankungen

1.1 Flohspeichelallergie

Die Flohspeichelallergie ist eine der häufigsten allergischen Reaktionen bei der Katze und kommt besonders häufig bei Hunden vor, die bereits an einer anderen Allergie leiden. Der Biß eines Flohs reicht bei den betroffenen Tieren aus, um für mehrere Wochen einen extrem starken Juckreiz auszulösen, beim Hund zunächst vor allem im Rückenbereich, bei der Katze am gesamten Rumpf. 

Bei der Untersuchung der Tiere sind oft weder Flöhe noch Flohkot zu finden!

Tiere mit einer Flohallergie betreiben eine derartig intensive Fellpflege, dass die Flöhe im wahrsten Sinne des Wortes die Flucht ergreifen und vor allem in der unmittelbaren Umgebung der Tiere abwarten, bis die nächste Blutmahlzeit ansteht. Bei einem klinischen Verdacht auf Flohallergie ist diese oft nur über eine sogenannte diagnostische Therapie auszuschließen bzw. zu bestätigen. Dazu werden Präparate zur Abtötung der erwachsenen Flöhe als "Spot on" oder als Tablette angewendet. Die Spot on Präparate müssen für einen effektiven Schutz bei flohallergischen Tieren in kürzeren Intervallen eingesetzt werden als für eine normale Prophylaxe. 

Maßnahmen zur Verhinderung der Flohvermehrung in der häuslichen Umgebung werden ebenfalls eingeleitet (Umgebungsspray und/oder vierwöchig oral einzugebende Präparate). 

Katze mit Flohspeichelallergie

Wenn innerhalb von ca. 6-8 Wochen eine deutliche Besserung erreicht wird, muss bei Ihrem Tier zur Vermeidung eines erneuten Allergieausbruchs eine dauerhafte Prophylaxe gegen Flöhe durchgeführt werden. Grundsätzlich sind natürlich alle Tiere eines Haushaltes zu behandeln.


 

1.2 Milben

1.2.1 Sarcoptesräude

Die Sarcoptesmilbe ist eine besonders beim Hund häufig vorkommende ansteckende Grabmilbe. Typischerweise entsteht ein hochgradiger Juckreiz am Unterbauch, an den Ellbogen und an den äußeren Ohrrändern mit Schuppen, Papeln und Haarverlust. Später verdickt sich die Haut und entwickelt übelriechende Sekundärinfektionen. 
Es kommen auch weniger typische Verlaufsformen vor, bei denen die Tiere nur Juckreiz aber keine sichtbaren Hautveränderungen aufweisen. Einige Tiere bleiben nach Ansteckung sogar längere Zeit symptomfrei, können die Milbe aber auf andere Tiere übertragen!
Insbesondere bei längerer Erkrankungsdauer seines Hundes entwickelt auch der Tierbesitzer gelegentlich kleine juckende Papeln z.B. am Bauch oder an den Armen. Die Milben können sich in der menschlichen Haut aber nicht vermehren, eine milbenabtötende Behandlung muss daher nur beim Tier und nicht beim betroffenen Besitzer durchgeführt werden. 
Zur Diagnosestellung werden Hautgeschabsel angefertigt oder, nach mindestens 3-wöchigem Krankheitsverlauf, eine Blutprobe zur sogenannten Sarcoptes-Antikörperbestimmung entnommen. 

Allerdings schließen auch negative Untersuchungsergebnisse 
eine Sarcoptesräude nicht definitiv aus!

Bei klinischem Verdacht ist daher unbedingt eine diagnostische Therapie anzuraten. Die Sarcoptesräude ist eine problemlos heilbare Erkrankung, führt bei Nichterkennung aber zu schweren, chronischen Hautproblemen

Alle in engem Kontakt befindlichen Tiere (auch symptomfreie!) müssen mit behandelt werden. Zur Verfügung stehen Spot-on Präparate gegen Milben und Flöhe, die mindestens 3x im Abstand von 2 Wochen aufgetragen werden. Da die Milben in der Umgebung nur ca. 10 Tage überleben, ist bei ausreichend langer Behandlung der befallenen Tiere keine antiparasitäre Umgebungsbehandlung erforderlich.




Sarcoptesmilbe


 

1.2.2 Cheyletiellose

Cheyletiellamilben leben auf der Hautoberfläche und ernähren sich von Hautprodukten und Gewebeflüssigkeit. Die Milben werden durch Kontakt zu anderen Tieren (häufig auch symptomlosen Trägern) sowie durch Pflegeutensilien (Bürsten, Kämme) übertragen. Die Tiere zeigen in den meisten Fällen eine hochgradige Schuppenbildung mit und ohne Juckreiz im Rückenbereich. Ein Nachweis erfolgt durch Tesafilmabklatschpräparate oder oberflächliche Hautgeschabsel. Für die Therapie stehen dieselben Spot-on Präparate zur Verfügung wie zur Behandlung der Sarcoptesräude. Eine antiparasitäre Behandlung von Pflegeutensilien sowie der Umgebung ist anzuraten. Cheyletiellen stechen auch den Menschen.




Cheyletiellamilbe


 

1.2.3 Demodikose 

Die Demodikose ist eine Erkrankung, die durch die Demodexmilbe ausgelöst wird. Diese Milbe lebt in den Haarbälgen und Talgdrüsen der Haut und wird in den ersten 72 Stunden vom Muttertier auf die Welpen übertragen. Abgesehen von diesem Übertragungsweg ist die Demodikose im Allgemeinen nicht ansteckend. Eine Hauterkrankung tritt nur auf, wenn sich die Demodexmilben stark vermehren. Besonders gefährdet sind kurzhaarige Hunderassen wie Möpse, Bulldoggen, Dobermänner, Dackel und Terrierrassen, sowie grundsätzlich Hunde, die von Ihren Elterntieren eine individuelle Veranlagung für diese Erkrankung geerbt haben. 




Demodexmilben unter dem Mikroskop

In diesen Fällen handelt es sich um eine Erkrankung von Junghunden meistens innerhalb des ersten Lebensjahres. Bei älteren (Demodexmilbe) Tieren tritt die Demodikose in Folge einer Schwächung des Immunsystems durch eine andere Grunderkrankung auf. Katzen sind außerordentlich selten von dieser Krankheit betroffen, im Gegensatz verursachen Demodexmilben bei der Katze häufiger Juckreiz. Beim Hund entstehen abgegrenzte Bezirke mit Haarverlust besonders an Kopf und Gliedmaßen (lokalisierte Form) und bei Ausbreitung der Erkrankung (generalisierte Form) auch an vielen verschiedenen Körperregionen. Zudem kommen schmerzhafte Pfotenentzüdnungen vor. 
Juckreiz entsteht bei der Demodikose des Hundes meistens erst, wenn sich eine bakterielle Entzündung der betroffenen Hautpartien entwickelt. 
Die Diagnose erfolgt durch Hautgeschabsel, nur bei schweren Pfotenentzündungen ist eine Hautstanze zur Diagnose erforderlich.
Bei jungen Hunden besteht eine hohe Eigenheilungsrate. 
Bei der generalisierten Form ist eine Therapie mit Milbenabtötenden Medikamenten, sowie antibakteriellen Maßnahmen (Antibiotika und/oder antibakterielle Shampoos) notwendig. Die Ermittlung der zugrunde liegenden Erkrankung ist beim älteren Tier Vorraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche Behandlung, stellt sich in Einzelfällen aber schwierig da. Die Behandlung der Demodikose ist langwierig (Monate) und der Erfolg sollte durch wiederholte Hautgeschabsel überprüft werden. 




Dobermann




Ohrspitze 




Franz. Bulldogge




Franz. Bulldogge




Demodikose der Katze


 

1.2.4 Herbstgrasmilben 

Erwachsene Herbstgrasmilben gehören zur Bodenfauna und ernähren sich von Pflanzenmaterial, Insekteneiern ect. Nur die Larven der Milben befallen Mensch oder Tier im Sommer und Herbst. Die Larven befallen nur tagsüber (sie sind nicht nachtaktiv) ihren jeweiligen Wirt und sind dann als orangerote Beläge besonders im Zwischenzehenbereich und am Bauch zu sehen. Wenn Ihr Hund sich auf einer Wiese wälzt, kann natürlich auch der Rücken betroffen sein.




Herbstgrasmilbe

Bei der Katze findet man die orangefarbenen Übeltäter oft in einer kleinen Ohrfalte- dort entgehen sie dem Putztrieb der sich juckenden Tiere. Herbstgrasmilben führen meistens zu einem starken, allergieähnlichen Juckreiz. Die befallenen Hautpartien sollten mit einem antiparasitären Shampoo gebadet und ggf. entzündungslindernde Maßnahmen ergriffen werden. 
Da Herbstgrasmilben nur regional begrenzt vorkommen, ist eine Vermeidung der befallenen Wiesen die beste Vorbeugemaßnahme. 




Herbstgrasmilbe 




Herbstgrasmilbe


 

2. Futtermittelallergie

Bei dieser Erkrankung reagiert das Tier allergisch auf irgendeinen Bestandteil des Futter unabhängig von der Futterqualität. Symptome können ganzjährig wiederkehrende Ohrenentzündungen, Lefzenentzündungen, Pfotenlecken und Juckreiz im Rumpfbereich sein. Eine Futtermittelallergie kann in jedem Alter vorkommen und betrifft oft Nahrungsbestandteile, die Ihr Tier über Jahre hinweg gut vertragen hat. Die zuverlässige Diagnose ist nur durch eine geeigneteAusschlussdiät möglich.
Hierzu wird- möglichste selbst zubereitet- über einen Zeitraum von ca. 8-12 Wochen eine Nahrung verabreicht, die Ihr Hund/Ihre Katze noch nie gefressen hat.
Der Wechsel zwischen verschiedenen handelsüblichen Fertigfuttermitteln ist zur Diagnosestellung nicht geeignet, da diese sehr unterschiedliche Inhaltsstoffe enthalten, die oft nicht vollständig deklariert sind.




Futtermittelallergie

Bei der Durchführung einer Ausschlussdiät ist äußerste Konsequenz geboten. Leckerchen, Kaustangen und selbst Tabletten mit Geschmacksverstärker müssen vermieden werden.

Blutuntersuchungen sind nicht geeignet um zuverlässig 
eine Futtermittelallergie zudiagnostizieren 

Wenn Ihr Tier unter der Diät deutlich weniger oder gar nicht mehr juckt, wird die entgültige Bestätigung der Diagnose durch sogenannte Provokationsfütterung erzielt. Hierbei wird etwas gefüttert, was das Tier vor der Diät bekommen hat.
Der Juckreiz verstärkt sich bei allergischen Reaktionen innerhalb von 1-5 Tagen deutlich.




Futtermittelallergie


 

3. Atopische Dermatitis 

= Allergie auf Umgebungsallergene wie Hausstaubmilben und Schimmelpilze (ganzjährig), sowie Gräser- und Baumpollen (saisonal) 

Die ersten Symptome treten meistens im Alter von 1-4 Jahren auf. Im Gegensatz zum Menschen sind Beschwerden im Bereich der Atemwege selten.
Tiere zeigen einen ausgeprägten Juckreiz, insbesondere am Kopf, an den Pfoten, in der Achsel- und Innenschenkelregion.
Durch eine Störung der Abwehrfunktion der Haut sowie durch Lecken und Beißen kommt es in der Folge zu Entzündungen der Haut. Bakterien und Hefepilze vermehren sich und führen zu Pusteln, Krusten, Verfärbungen und Verdickungen der Haut und somit zu einer weiteren Steigerung des Juckreizes.




Atopie

Die Diagnose erfolgt durch die sorgfältige Interpretation der Krankheitsgeschichte und den Ausschluss anderer Erkrankungen (Futtermittelallergie, Parasiten, juckende Infektionen der Haut)

DIE DIAGNOSESTELLUNG ATOPISCHE DERMATITIS
ERFOLGT NICHT DURCH EINEN ALLERGIETEST 

Ein Tier, dass sich das ganze Jahr hindurch juckt, sollte also zunächst auf eine Ausschlussdiät gesetzt werden und in Hinblick auf Parasiten untersucht/behandelt werden. Erst wenn diese Maßnahmen nicht zu einer Besserung führen, kann die klinische Diagnose atopische Dermatitis gestellt werden. Ein Allergietest ermittelt dann die verantwortlichen Allergene.
Eine empfehlenswerte Therapie ist die sogenannte Immuntherapie ("Desensibilisierung"). Bei diesem Verfahren wird dem Patienten eine langsam steigende Dosis des Allergens gespritzt. Auf diese Art und Weise wird im Verlauf von mehreren Monaten in ca. 60% aller Fälle eine "Umpolung" von allergischer Reaktion auf Toleranz bewirkt. Wenn dieses Ziel innerhalb einer Jahres erreicht wird, setzt man die Behandlung im Abstand von 4-6 Wochen lebenslang fort.
Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Stabilisierung der erkrankten Haut z.B. mit medizinischen Shampoos, Lotionen, Verabreichung von essentiellen Fettsäuren und bei Bedarf von Antibiotika und Antimykotika. Eine Unterdrückung der allergischen Reaktion kann zum Beispiel mithilfe von Kortison, Antihistaminika oder Cyclosporin erfolgen. 
Wie bei allen anderen juckenden Hauterkrankungen ist es aber die Aufgabe des dermatologisch erfahrenen Tierarztes, ein für Ihr Tier individuell angepasstes Behandlungsschema zu erarbeiten, das fast immer aus mehreren verschiedenen Maßnahmen besteht




Atopie

Natürlich gibt es noch andere, deutlich seltenere juckende Hauterkankungen (Autoimmunerkrankung, Hautkrebs...) deren Darstellung diesen Rahmen sprengen würde.




 

© 06/2009 

Dr. Daniela Delius
Tätig in der Kleintierpraxis Dr. Ulrike Morys
Praxisschwerpunkt Dermatologie 
Niederrheinstraße 124, 40474 Düsseldorf
www.tierarzt-morys.de
 

Fotos 

Dr. Ulrike Morys