Epilepsie beim Hund

Epilepsie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung beim Hund. Im Durchschnitt sind je nach Rasse 0,5 bis 5% der Hunde von Krampfanfällen betroffen. Somit gelangt diese Erkrankung immer mehr ins Bewusstsein von Züchtern und Tierbesitzern.



 

Was ist Epilepsie?

Der Begriff Epilepsie leitet sich ursprünglich von dem griechischen „epilepsis“ ab und bedeutet „der Anfall, der Übergriff“. Bei der Erkrankung treten spontan Krampfanfälle ohne erkennbare Ursache auf und kehren wieder. Diese Form von Anfällen wird auch als angeborene oder idiopathische Epilepsie (beim Hund ca. 50 % aller Epilepsien) bezeichnet. Den anderen auftretenden 50 Prozent epileptiformer Anfälle (symptomatische Epilepsie) liegen beispielsweise eine funktionelle Erkrankung des Herzens, eine Leberfunktionsstörung oder eine Unterzuckerung aber auch Tumoren oder Entzündungen des Gehirns zu Grunde.


 

Diagnostischer Weg

Um einen Hund mit epileptischen Anfällen therapieren zu können, muss zunächst geklärt werden, ob es sich um eine idiopathische oder symptomatische Epilepsie handelt. Dazu sind eine klinische und eine neurologische Untersuchung notwendig. Darüber hinaus sollte eine umfangreiche Blutuntersuchung inklusive eines Leberfunktionstests und eventuell eine Herzabklärung durchgeführt werden. In manchen Fällen, kann erst eine Kernspintomographie und eine Liquorpunktion zur eindeutigen Diagnose der Epilepsieform führen.




MRT - Meningiom


 

Idiopathische Epilepsie

Bei dieser Form der Epilepsie wird bei all den genannten Untersuchungen kein pathologischer Befund erhoben. Die idiopathische Epilepsie kann beim Hund sporadisch auftreten. Es gibt aber auch Rassen, die besonders häufig von dieser Form der Epilepsie betroffen sind. Genetisch bedingt erkranken neben vielen anderen Rassen häufig Berner Sennenhunde aber auch Retriever und, wie seit neuestem bekannt ist, Border Collies.



 

Der Epileptische Anfall

Ein Anfall kündigt sich meist bereits Stunden bis Tage vor dem eigentlichen Krampf an. Der Hund kann z.B. ruhelos und nervös sein. Der „klassische“ generalisierte Krampfanfall ist für den Hundehalter leicht zu erkennen. Er beginnt meist mit einem Niedergehen des Tieres in Seitenlage. Die Gliedmaßen sind zunächst gestreckt, in der Folge kommt es zu Ruderkrämpfen mit den Beinen. Häufig setzen die Hunde Kot und/oder Urin ab und speicheln stark. Manche Tiere entwickeln einen ausgeprägten Kieferkrampf, der sehr gefährlich für den Besitzer sein kann, da die Hunde sich dabei auch festbeißen können. Die Hunde sind während des Anfalles nicht bei Bewusstsein bzw. das Bewusstsein ist gestört. Deshalb sind die Tiere nicht ansprechbar. Der eigentliche Krampfanfall dauert in der Regel nur ein bis zwei Minuten. Nach dessen Abklingen kann es bis zu 72 Stunden danach zu neurologischen Ausfallserscheinungen kommen. Die Hunde können verstört, aggressiv, müde, hungrig, durstig und blind sein oder auch Gleichgewichtsstörungen haben.

Neben dem generalisierten Anfall gibt es auch so genannte fokale Anfälle, die von Zuckungen einzelner Muskelgruppen bis hin zu komplex fokalen Anfällen in Form von halluzinativen Anfällen (Fliegenschnappen) oder Rennattacken, sog. „running fits“ reichen können. Die fokalen Anfälle können sich im weiteren Verlauf zu generalisierten Krämpfen ausweiten.


 

Cluster und Status epilepticus

Mehrere an einem Tag auftretende epileptische Anfälle werden Cluster oder Serienanfälle genannt. Ein Status epilepticus ist ein Anfall, der mehr als zehn Minuten dauert. Beide Phänomene erschweren die Therapie und verschlechtern somit auch die Prognose für den Patienten.


 

Entstehung von Anfällen im Gehirn

Einem epileptischen Anfall liegt eine abnormale, synchron stattfindende neuronale Aktivität vieler Nervenzellen in der Großhirnrinde bei einem gestörten Ruhemembranpotential dieser Zellen zugrunde. Das bedeutet, die Kommunikation der Zelle mit der Außenwelt ist gestört. Es liegt eine erniedrigte Erregungsschwelle der Nervenzelle vor, die leicht überschritten und damit das Ruhemembranpotential aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann. Dies ist für die Therapie mit Medikamenten von Bedeutung.




Gestörtes Ruhemembranpotential eines Epileptikers 


 

Therapie: Ziele und Notwendigkeit

Antiepileptische Medikamente wirken stabilisierend auf das Ruhemembranpotential. Das am häufigsten beim Hund eingesetzte Antiepileptikum ist das Barbiturat Phenobarbital. Wirkt das Barbiturat nicht ausreichend, werden so genannte „Add-on-Medikamente“ eingesetzt. Diese sind z.B. Kaliumbromid, Felbamat, Gabapentin, Zonisamid und Levetiracetam. Ziel der Behandlung ist eine Verlängerung der Abstände zwischen zwei Anfällen und eine Verkürzung der Dauer der Anfälle. Ungefähr ein Drittel der Hunde werden durch diese Therapie sogar anfallsfrei. Bei einem Drittel der Tiere kann eine vorübergehende Anfallsreduktion erreicht werden. Das letzte Drittel der Tiere spricht leider nicht ausreichend auf die Therapie an. Die befriedigende Einstellung eines epileptischen Hundes auf die Medikamente dauert ungefähr drei bis sechs Monate. In dieser Zeit sind Blutuntersuchungen in regelmäßigen Abständen notwendig, um zu überprüfen, ob der Gehalt des verwendeten Medikamentes im Blut ausreichend ist. So können auch Nebenwirkungen minimiert und die Wirksamkeit der Medikamente optimiert werden.

Unwissenheit und die daraus resultierende Angst vor Nebenwirkungen der antiepileptischen Therapie lassen manchen Hundehalter zögern, die Behandlung zu beginnen. Dabei sollte spätestens nach dem zweiten epileptischen Anfall mit der Therapie begonnen werden, denn unbehandelte Krampfanfälle können sich dramatisch verschlimmern. Zudem kann die Ansprechbarkeit der Epilepsie auf Medikamente von Anfall zu Anfall sinken.


 

Prognose

Die Epilepsie beim Hund ist eine so genannte „Management-Erkrankung“. Das bedeutet, dass mit der Auswahl und optimaler Dosis von Medikamenten die Symptome teilweise oder vollständig unterdrückt werden können, die Erkrankung aber nicht geheilt wird. Hunde mit vereinzelt vorkommenden Anfällen, die unter antiepileptischer Therapie anfallsfrei sind, müssen keine geringere Lebenserwartung als gesunde Hunde haben. Wenn das Tier aber unter einer komplizierten Form der Epilepsie, wie Clustern oder Status epilepticus leidet, kann sich seine Lebenserwartung reduzieren. Die Heilung von Epilepsie ist in seltenen Fällen möglich. Sie kann ganz einfach von selbst geschehen als sog. Spontanheilung.


 

© 01/2011 

Dr. med. vet. Andrea Bathen-Nöthen 
Tätigkeitsschwerpunkt Kleintier- und Pferdeneurologie 
Kandidat des Europäischen Colleges für Veterinärneurologie 
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