Ausgewählte Erkrankungen der Netzhaut
Die Netzhaut (Retina) ist Bestandteil des Augenhintergrunds (Fundus oculi), der sich unmittelbar an den Glaskörper anschließt und zu dem darüber hinaus, von innen nach außen gesehen, die Aderhaut (Chorioidea), der Sehnervenkopf (Papilla nervi optici) sowie die weiße Augenhaut (Sklera) zählen. Der Sehnervenkopf stellt den Durchtritt des Sehnerven durch die äußeren Schichten des Auges vor dessen Aufzweigung in die einzelnen Nerven der Nervenzellschicht der Netzhaut dar.
Anatomie der Netzhaut
Die Netzhaut ist bei Hund und Katze zum Zeitpunkt der Geburt noch unreif, d.h. sie ist erst zwischen der 6.- 8. Lebenswoche voll entwickelt.
Die Retina besteht insgesamt aus 10 Schichten, wobei es ein neunschichtiges Innenblatt (dem Glaskörper zugewandt) und einschichtiges Außenblatt (der Aderhaut anliegend) zu unterscheiden gilt (Abb.1).
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Das Innenblatt der Retina, das sogenannte Stratum cerebrale, stellt den sensorischen, d.h. lichtempflindlichen und -verarbeitenden Anteil der Netzhaut dar, welcher u.a. aus den Stäbchen und Zapfen, den sogenannten Photorezeptoren, besteht, die die Lichtinfomationen in elektrische Impulse umwandeln. Dabei sind die Stäbchen für das Schwarz-Weiß-, die Zapfen hingegen für das Farbsehen zuständig. Das Stratum cerebrale erstreckt sich räumlich von der hinteren Fläche des Ziliarkörpers (Ora ciliaris) bis zur Papilla nervi optici und geht dann in den Sehnerven (N. opticus) über. Das Außenblatt, als Stratum pigmenti oder Retinapigmentepithel bezeichnet, enthält Farbstoffzellen und erstreckt sich nach vorne bis an die Hinterfläche der Regenbogenhaut und weiter bis zum Pupillarrand. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse Lage aus, d.h., dass das Licht erst durch die Nerven und Gefäße des Innenblattes der Netzhaut treten muss, um an die Stelle zu gelangen, an der sich die Stäbchen und Zapfen befinden.
Innen- und Außenblatt der Netzhaut sich nur locker miteinander verbunden und werden durch den Gegenruck des Kammerwassers und des Glaskörpers in ihrer engen Position gehalten. Eine Ausnahme hiervon besteht im Bereich der hinteren Fläche des Ziliarkörpers (Ora ciliaris) und der Sehnervenpapille, wo beide Blätter fest miteinander verbunden sind. Der Spalt zwischen diesen beiden Netzhautanteilen wird als subretinaler Raum bezeichnet und spielt bei der Netzhautablösung (Ablatio retinae) eine entscheide Rolle.
Der Austritt des Sehnerven, auch als Sehnervenkopf oder Papilla nervi optici bezeichnet, weist beim Hund einen Durchmesser von etwa 1,5-2 mm auf und hat eine weiße Farbe. Er wird blinder Fleck genannt da hier keine für die Bildverarbeitung erforderlichen Photorezeptoren vorhanden sind. Er ist etwas erhaben und ragt somit in den Glaskörperbereich hinein.
Beim Hund wird die Netzhaut durch 10-12 am Rand des Sehnerven entspringende Arterien und zwei bis fünf zentral aus dem Sehnervenkopf austretende Venen versorgt. In der Netzhaut des Hundes verlaufen, im Gegensatz zur Katze, die Arterien und Venen nicht parallel zueinander.
Bei der Katze existieren jeweils drei Hauptvenen und -arterien, die alle am Rand des Sehnervenkopfes ihren Ursprung nehmen und durch ihren parallelen Verlauf Gefäßpaare bilden. Bei Hund und Katze verlaufen die Gefäße der Netzhaut in einem umgekehrten T (T-Schema der Netzhautgefäße), wobei der vertikal verlaufende Fuß des T beim Hund vertikal nach oben verläuft, hingegen bei der Katze schräg vertikal von innen nach außen zieht (Abb.2 und Abb.3).
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Aufbau und Funktion der Netzhaut
Das Retinapigmentepithel des Außenblattes der Netzhaut hat vielfältige Aufgaben: Es wirkt als Pumpe, indem es aktiv Flüssigkeit aus dem subretinalen Raum zur Aderhaut transportiert. Es verhindert darüber hinaus zum einen eine gegenseitige Beeinträchtigung der die Lichtinformationen verarbeitenden Zellen (Photorezeptoren) und ist andererseits ist für einen Abbau von Anteilen der Photorezeptoren und die damit einhergehende Wiederverwertung von v.a. Vitamin A verantwortlich. Ferner dient es der Speicherung von Vitamin A aus dem Blut und ist eine Art Zwischenspeicher für Nährstoffe aus der gefäßführenden Schicht des Auges, der die für von Sinneszellen benötigten Substrate per Diffusion an diese weitergibt.
Unmittelbar an das Retinapigmentepithel schließt sich, als erste äußere Zone des Innenblattes, die Stäbchen- und Zapfenschicht an. Die Stäbchen und Zapfen liegen mit ihren äußeren Anteilen eingebettet in das Pigmentepithel des Außenblattes.
Nach der Duplizitätstheorie sind die Stäbchen für das Sehen Schwarz-Weiß-Sehen, sowie das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht verantwortlich (skotopisches Sehen). Sie reagieren eher auf Bewegungsreize als die Zapfen, die das Sehen am Tag und das Farbsehen gewährleisten (photopisches Sehen). Die Zapfen sind entscheidend für die Sehschärfe und damit für das Erkennen von Details. Dies wird auch dadurch besonders ersichtlich, das lediglich ein Zapfen mit einer Nervenzelle verbunden ist, während mehrere Stäbchen (bei der Katze 130) ihre Informationen an nur eine Nervenzelle weiterleiten (Signalkonvergenz), wodurch der Verlust an Sehschärfe erklärt werden kann. Insgesamt gesehen ist die Anzahl der Stäbchen in der Netzhaut beträchtlich höher als die der Zapfen, wobei deren Verhältnis zueinander in den einzelnen Netzhautarealen unterschiedlich ist. An der Stelle des schärfsten Sehens, der Macula oder auch Area centralis retinae, befinden sich die meisten Zapfen. Sie ist zum äußeren Augenwinkel neben dem Sehnervenkopf gelegen (bei der Katze etwa 3-5 mm über der Papille) und gelblich gefärbt. Während an dieser Stelle 11 Zapfen auf 1 Stäbchen kommen, beträgt das Verhältnis in der Peripherie 61-100 Stäbchen auf einen Zapfen, wodurch bei weit geöffneter Pupille in der Dunkelheit auch noch viele Stäbchen durch das einfallende Licht erregt werden können. Aufgrund ihrer Nachtaktivität haben Hund und Katze ca. 2,5 mal so viele Stäbchen wie Primaten.
Die Verarbeitung der einfallenden Lichtstrahlen geschieht bei den Primaten über vier Sehfarbstoffe, die die Lichtenergie in ein für das Gehirn verwertbares neuroelektrisches Signal umwandeln. In den Zapfen sind drei Sehfarbstoffe mit jeweils hoher Empfindlichkeit für blau, rot und grün vorhanden, während in den Stäbchen mit dem Rhodopsin, dem sogenannten Sehpurpur, lediglich ein Farbpigment vorhanden ist. Bei diesem Sehpurpur handelt es sich um Retinal, eine Verbindung des Vitamin A.
Das von den Photorezeptoren erzeugte neuroelektrische Signal wird von den in der Netzhaut lokalisierten Nervenzellen an das Gehirn weitergeleitet und verlässt das Auge über den Sehnerv (Nervus opticus). Dieser stellt die Gesamtheit der Nervenzellausläufer (Axone) dar.
Reflexionen im Auge
Der Fundus des Hund- und Katzenauges kann in zwei optisch unterschiedliche Areale unterteilt werden: In das in der oberen (dorsalen) Hälfte gelegene Tapetum lucidum und in das unten (ventral) zu erkennende Tapetum non lucidum, das auch als Tapetum nigrum bezeichnet wird. Die Unterscheidung dieser beiden Anteile des Fundus gelingt jedoch erst 5-8 Wochen nach der Geburt, wobei das Tapetum lucidum erst mit 10-12 Wochen beim Hund voll entwickelt ist und helle Reflexionen gesehen werden können.
Das Tapetum lucidum ist dafür verantwortlich, dass in der Dunkelheit bei Einfall von Licht das Hunde- oder Katzenauge gelb bis grünblau aufleuchtet. Diese helle Lichtreflexion wird durch Farbstoffe (Pigmente) hervorgerufen, die in der gefäßführenden Schicht des Auges (Aderhaut, Chorioidea) liegen. Das Retinapigmentepithel des Außenblattes der Netzhaut hat in diesem Areal keinen Farbstoff eingelagert. Das Tapetum lucidum ist bei vielen Tieren, nicht jedoch beim Schwein und Vogel ausgebildet und dient der Verstärkung des Restlichtes in der Dämmerung und bei Nacht.
Das Tapetum non lucidum erhält seine dunkle Farbe durch große Mengen in die Aderhaut und das Pigmentepithel des Außenblattes der Retina eingelagerten Farbstoff. Es absorbiert das von oben in das Auge einfallende Sonnen- und Streulicht, wodurch das auf der Retina erzeugte Bild an Schärfe gewinnt. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass es einen Zusammenhang zwischen der Fellfarbe und der Pigmentierung des tapetumfreien Fundus gibt: Je heller das Fell, desto weniger stark pigmentiert ist das Tapetum non lucidum.
Eine Pigmentierung der Aderhaut und der Netzhaut fehlt den albinotischen Tieren, die eine blaue Regenbogenhaut (Iris) haben. Bei diesen wird der bei Betrachtung weiß-rötliche Augenhintergrund einerseits durch die sichtbaren Arterien und Venen der Aderhaut und der weißen Augenhaut (Sklera), andereseits durch die Sklera selbst hervorgerufen. Ein solcher Fundus wird auch als tigroider Fundus bezeichnet (Abb.4).
Siamkatzen mit blauer Iris haben einen partiell albinotischen Fundus oculi, d.h., dass ein Tapetum lucidum vorhanden ist, jedoch ein albinotisches Tapetum non lucidum ausgebildet ist.
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Ausgewählte Erkrankungen der Netzhaut
1. Progressive Retinaatrophie (PRA)
Unter dem Begriff der PRA werden definitionsgemäß alle erblichen, primären Fehlentwicklungen der Netzhaut (Retinadysplasien) mit dadurch bedingter Verschlechterung der Leistungsfähigkeit (Degeneration) oder Verminderung der lebenden Substanz (Atrophie) sowie alle primären Retinaatrophien erfasst.
Gemeinsam ist diesen Netzhautveränderungen, dass es zu einer unumkehrbaren (irreversiblen) Zerstörung der Photorezeptoren mit fortschreitender Schädigung der anderen retinalen Strukturen kommt. Es können zunächst nur die Zapfen oder nur die Stäbchen oder auch beide Lichtrezeptoren gleichzeitig betroffen sein.
Die PRA ist erblich, kommt meist bilateral symmetrisch zur Ausprägung und verläuft progressiv fortschreitend. Es können insgesamt vier Formen der PRA unterschieden werden, wobei die erbliche progressive Retinadegeneration/Retinaatrophie die wichtigste darstellt.
Diese kann wiederum in mindestens 5 Untergruppen eingeteilt werden, wobei sich die Enteilung darauf stütz, in welchem Alter sich erste klinische Erscheinungen bemerkbar machen, so dass zwischen Photorezeptordysplasien (irreguläre Entwicklung der Photorezeptoren) und Photorezeptoratrophien (Photorezeptoren entwickeln sich zunächst normal, degenerieren dann, im weiteren Verlauf kommt es zu einer Verminderung von Netzhautgewebe) unterschieden werden muss. Bei der frühen Form kommt es infolge der Dysplasie von Zapfen und Stäbchen bereits mit 6 Lebensmonaten zu ersten klinischen Symptomen wie Nachtblindheit und zur vollständigen Erblindung bereits mit 1 - 2 Jahren. Prädisponiert für diese Verlaufsform der erblichen progressiven Retinadegeneration/Retinaatrophie sind u.a. der Irisch Setter, Gordon Setter, Collie, Rauhhaardackel, die Abessinierkatze und der Perser.
Die spätere Form ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl Zapfen als auch Stäbchen zunächst normal angelegt sind und deren Funktionsverlust sich erst später einstellt, so dass es erst mit 3 - 5 Jahren zu schlechtem Dämmerungssehen und Nachtblindheit und mit 6 - 9 Jahren zu einem vollständigen Sehverlust kommt. Sowohl beim Pudel und Labrador Retriever als auch beim Englischen und Amerikanischen Cocker sowie beim Entlebucher Sennenhund kann dieser Krankheitsverlauf besonders gehäuft beobachtet werden.
Bei den Zwischenformen, die bei Zwergschnauzer, Labrador Retriever, Tibet Terrier und Abessinier zur Ausprägung kommen, tritt die Nachtblindheit mit 1 - 2 Jahren, der vollständige Verlust des Sehvermögens mit 3 - 5 Jahren auf. Gemeinsam ist allen Formen, dass bei einer Untersuchung der betroffenen Augen ein verzögerter bis nicht mehr vorhandener Puppillarreflex sowie ein vermehrtes Aufleuchten des Auges bei Lichteinfall festgestellt werden kann, Ferner ist die Entwicklung eines grauen Stars möglich, wobei die Ursache für dessen Entstehung in diesem Zusammenhang noch ungeklärt ist.
Bei der Untersuchung der Netzhaut sind die zu beobachtenden Veränderungen meist auf beiden Seiten im selben Stadium vorhanden: Es kommt zu einem gesteigerten Reflexreichtum bei Auftreffen von Licht auf die Netzhaut, der im Anfangsstadium der Erkrankung auf die Peripherie des Tapetum lucidum beschränkt ist, sich von dort bei Fortschreiten der Veränderungen diffus auf die gesamte obere Netzhauthälfte ausbreitet, während es im Bereich des Tapetum non lucidum zu einer umschriebenen Aufhellung der pigmentierten Areale kommt. Die Netzhautgefäße nehmen sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrem Durchmesser mit Progression der PRA ab, so dass im Endstadium kaum noch Netzhautgefäße vorhanden sind. Der Sehnervenkopf kann blass und verkleinert mit unscharfem Rand erscheinen (Abb.5).
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Die Diagnose der erblichen progressiven Retinadegeneration/Retinaatrophie wird neben der Beobachtung der Nacht- und später der Tagblindheit, der entsprechenden Rasse und der charakteristischen Veränderungen des Augenhintergrundes vor allem durch das ERG (Elektroretinogramm) gestellt, dass den Nachweis der Erkrankung zu einem früheren Stadium ermöglicht als die reine ophthalmologische Untersuchung. Beim ERG werden die von der Netzhaut erzeugten elektrischen Impulse nach Stimulation über Elektroden abgegriffen und in Kurven, ähnlich dem EKG (Elektrokardiogramm) des Herzens, sichtbar gemacht. Das ERG erlaubt somit eine Aussage über einerseits den Funktionszustand der Photorezeptoren andererseits der nachgeschalteten Nervenzellen und somit über die Fähigkeit, die Lichtinformationen in nervale Erregungen umzuwandeln und diese weiterzuleiten.
Eine Therapie der PRA ist nicht möglich und die Prognose für das Sehvermögen aussichtslos. Prophylaktisch sollten alle erkrankten Tiere, sowie deren Eltern und Geschwister von der Zucht ausgeschlossen werden.
Collie-Augen-Anomalie (CEA)
Die Collie-Augen-Anomalie (CEA) bezeichnet einen Überbegriff für eine Reihe von Entwicklungsstörungen. Es handelt sich hierbei um zum Zeitpunkt der Geburt schon vorhandene (kongenitale), nicht fortschreitende Augenerkrankungen, die beim Collie weit verbreitet sind, aber weniger häufig auch beim Sheltie, Deutschen Schäferhund, Bearded Collie oder Border Collie auftreten. Die Veränderungen des Fundus oculi erkrankter Hunde können ein- oder beidseitig ausgeprägt sein, müssen in letzterem Fall aber nicht symmetrisch ausgebildet sein.
Zur Collie-Augen-Anomalie zählen die im Folgenden aufgeführten fünf Auffälligkeiten des Augenhintergrunds:
1. Schlängelung der retinalen Gefäße (Tortuitas vasorum)
Die übermäßige Schlängelung der Gefäße der Netzhaut stellt lediglich eine geringgradige Veränderung des Augenhintergrundes dar, wobei es heute noch offen ist, ob sie tatsächlich der CEA zuzuordnen ist.
2. Chorioretinale Hypoplasie (CRH) und/oder Chorioretinale Dysplasie (CRD)
Die Chorioretinale Hypoplasie und/oder Chorioretinale Dysplasie stellen die hauptsächlichen Veränderung der Netzhaut bei der CEA dar. Die strukturellen Anomalien kommen überwiegend in der Aderhaut (Chorioidea) und weniger ausgeprägt in der Netzhaut vor.
Bei der Choretinalen Hypolplasie und/oder Dysplasie sind sowohl die Aderhaut als auch das Pigmentepithel der Retina nicht oder nur wenig pigmentiert. Die in diesem Bereich sichtbaren Gefäße der Aderhaut erscheinen in ihrer Anzahl reduziert, verbreitert und unregelmäßig. Zwischen ihnen kann in der Tiefe die weiße Augenhaut (Sklera) sichtbar werden. Diese Veränderungen treten unmittelbar lateral neben dem Sehnervenkopf auf, wobei dieser auch mit einbezogen sein kann.
Bei der CRH und/oder CRD handelt es sich um stationäre, d.h. sich im Laufe der Zeit nicht verändernde Erscheinungen. Eine Ausnahme hiervon bilden 4 - 5 Wochen alte Welpen, bei denen die temporal der Papille gelegenen Hypoplasien, die als weiße Flecken zu erkennen sind, bis zum Alter von 6 - 8 Wochen durch die sich weiter ausbildende Aderhaut überdeckt werden und sich so scheinbar zurückbilden. Die CEA kann dann bei diesen Welpen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr diagnostiziert werden. Diese Welpen sind jedoch Merkmalsträger und können die Erkrankung so an ihre Nachfahren weiter geben. Sie werden daher als "Go Normals" bezeichnet.
Durch die CRH und/oder CRD kommt es nicht zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens.
3. Papillen- oder Funduskolobome
Als Kolobome werden Schließungsdefekte des Auges bezeichnet, die bei der Entwicklung auftreten können. Sie sind meisst unten, auf der Position " 6 Uhr" gelegen.
Bei der CEA können solche Kolobome in oder direkt unter dem Sehnervenkopf (Papillenkolobom) oder neben dem oder zirkulär um den Sehnervenkopf gelegen (Funduskolobome) auftreten.
Sie Sehfähigkeit durch solche Kolobome ist nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Bei Collies treten sie immer im Verbund mit einer Chorioretinalen Hypoplasie auf.
4. Netzhautablösung (Ablatio retinae)
Die Ablösung der Netzhaut kann ballonartig umschrieben im Bereich eines Koloboms auftreten oder die gesamte Netzhaut betreffen (totale Netzhautablösung). Letztere etwickelt sich häufig innerhalb weniger Monate aus einer bullösen Netzhautablösung.
5. Unterentwicklung des Sehnervenkopfes (Hypoplastische Papille)
Eine Unterentwicklung der Sehnervenpapille kann bei erkrankten Welpen selten beobachtet werden.
6. Blutungen im Augeninneren (okuläre Haemorrhagien)
Blutungen in den Augapfel können sowohl im Rahmen von Netzhautablösungen als auch infolge von Gefäßanomalien auftreten. Sie sind im Glaskörper sowie in der vorderen Augenkammer zu beobachtet.
Neben der Netzhautablösung stellen auch die okulären Haemorrhagien schwere Folgen der CEA dar, da sie, je nach Ausprägung, das Sehvermögen bis hin zu einem dauerhaften Sehverlust beeinträchtigen können.
Andere bei der Untersuchung der Retina des Collie-Welpen zu beobachtende Erscheinungen wie Trübungen des hinteren Linsensterns, Hornhauttrübungen und Netzhautfalten sind entwicklungsbedingt und bilden sich im Laufe des Wachstums des Auges wieder zurück. Sie sind somit nicht der CEA zuzuordnen.
Zur Diagnose der Collie-Augen-Anomalie sollten Welpen der prädisponierten Rassen im Alter von 6 - 7 Wochen untersucht werden, um auch die Welpen zu erfassen, bei denen sich die Veränderungen der Netzhaut im Sinne einer CRH und/oder CRH im Laufe der weiteren Entwicklung wieder zurückbilden ("Go Normals").
Eine Therapie der CEA ist nicht bekannt. Betroffene Hunde sollten in jedem Falle aus der Zucht ausgeschlossen werden. Aufgrund der frühen Vorsorgeuntersuchung im Alter von 6 - 7 Wochen kann die Erkrankung schon bei sehr jungen Welpen festgestellt werden. Dadurch stehen dem Züchter bereits schnell wichtige Informationen über die genetischen Eigenschaften der Elterntiere zur Verfügung, so dass von einer weiteren Verpaarung der entsprechenden Tiere abgesehen werden kann.
Plötzliche erworbene Retinadegeneration: Sudden Acquired Retinal Degeneration (SARD)
Die plötzliche erworbene Retinadegeneration tritt vermehrt bei Dackeln und Zwergschnauzern sowie deren Mischlingen auf. Hinweise auf eine Rassedisposition sowie eine erbliche Genese bestehen derzeit nicht. Die erkrankten Tiere sind mittelalt bis alt und zeigen eine plötzliche Erblindung mit beidseitiger Weitung der Pupille (Mydriasis), die bei Lichteinfall nicht reagiert. Veränderungen im Bereich des Augenhintergrunds sind im akuten Stadium nicht erkennbar. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu einer vollständigen Veränderung der Netzhaut: Das Tapetum lucidum weist eine deutliche Steigerung der Reflexivität (Hyperreflexie) sowie eine Verminderung der Gefäße der Netzhaut in Anzahl und Durchmesser (Atrophie) auf. Die Funktionsüberprüfung der Netzhaut nach Stimulation mittels Lichtimpulsen (Elektroretinogramm, ERG) ergibt eine vollständige neuronale Funktionslosigkeit der Netzhaut.
Weitere auftretende Symptome sind vermehrte Futter- und Wasseraufnahme sowie gesteigerter Harnabsatz, welche den Verdacht auf subklinische Leberverändungen sowie Hyperadrenokortizismus zulassen.
Die zu der plötzlichen erworbenen Retinadegeneration führenden Ursachen sind bisher nicht aufgeklärt. Vermutet werden Störungen im Stoffwechsel des Retinapigmentepithels mit dadurch bedingtem Funktionsverlust der Photorezeptoren sowie eine Vergiftungsreaktion der Photorezeptoren durch das in Lebensmitteln als Zusatzstoff enthaltene Glutamat und Aspartat. Eine Therapie der SARD ist bisher nicht möglich. Die Gabe von Kortisonen erweist sich als wirkungslos.
Netzhautablösung: Ablatio retinae
Bei der Netzhautablösung kommt es zu einer Trennung des inneren Blattes der Netzhaut vom äußeren Blatt der Retina, dem Pigmentepithel, durch eine Vergrößerung des subretinalen Raums (Abb.6). Da es sich bei der Netzhautablösung also nicht um eine komplette Trennung der Netzhaut von der darunter liegenden Aderhaut handelt, ist eine Netzhautablösung richtiger als Netzhauttrennung (Retinoschisis) zu bezeichnen. Die Folge ist eine Unterbrechung der Ernährung der Photorezeptoren, die ihre Nährstoffe aus den Gefäßen der Aderhaut lediglich über Diffusion erhalten. Hält dieser Zustand länger als 8 Wochen an, kommt es zu einer irreversiblen Schädigung der Stäbchen und Zapfen und somit zu einer nicht mehr therapeutisch zu beeinflussenden Blindheit.
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Als mögliche Ursachen für eine Trennung der Netzhautschichten voneinander sind Ansammlungen von entzündlicher Flüssigkeit (Exsudat), Flüssigkeit infolge eines Bluthochdrucks oder die Bildung von geweblichen Umfangsvermehrungen im subretinalen Raum zu nennen. Darüber hinaus kann ein durch eine Linsenluxation oder Blutungen im Glaskörper ausgelöster Zug an der Netzhaut sowie auch ein Riss in der Netzhaut, unter den verflüssigter Glaskörper dringen kann, zu einer Netzhautablösung führen. Durch einen Verlust des Gegendruckes im Rahmen einer Glaskörperverflüssigung ist ebenfalls eine Ablatio retinae möglich. Spontane Netzhautablösungen ohne erkennbare Ursachen sind selten und kommen meist auch nur punktförmig vor.
Zu unterscheiden gilt es weiterhin kleinere, sogenannte partielle Netzhautablösungen, bei denen nur umschriebene Areale betroffen sind, sowie weitreichende Ablösungen (totale Netzhautablösungen), die sich durch ein fallschirmartiges Aussehen auszeichnen und meist die gesamte Netzhaut einbeziehen. Darüber hinaus sind einzelne Fältelungen der Retina möglich, die als Ablatio retinae anzusprechen sind und als Sanddünenphänomen bezeichnet werden.
Weiterhin können blasenartige (bullöse), durch Risse bedingte (rhegmatogene), durch Zug bedingte (traktive) und durch tumorbedingte Netzhautablösungen unterschieden werden. Bei ersterer kommt es infolge Entzündung, Bluthochdruck oder Fehlentwicklungen der Netzhaut zur Einlagerung von Flüssigkeit zwischen das Innen- und Außenblatt der Netzhaut. Die rhegmatogene Form der Ablatio retinae entsteht durch das Eindringen von verflüssigtem Glaskörper in Löcher oder Risse der Netzhaut und die durch Zug bedingte Netzhautablösung wird ausgelöst durch z.B. Fibrinstränge, die als Komplikation im Rahmen von Entzündungen im Glaskörper oder nach Entfernung der Linse auftreten können und zur Vergrößerung des subretinalen Raums führen.
Oftmals verläuft die Ablatio retinae bei Hund und Katze asymptomatisch und wird somit zufällig oder erst in fortgeschrittenem Stadium durch Verlust des Sehvermögens (totale Netzhautablösung) diagnostiziert. Sie geht meist auch mit mehr oder weniger ausgedehnten Netzhautblutungen einher (Abb.7).
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Die Therapie der Netzhautablösung ist vielschichtig und richtet sich einmal nach der zugrunde liegenden Ursache, orientiert sich aber auch an der vorliegenden Form der Netzhautablösung. Während die bullöse Form rein medikamentös behandelt werden muss, stehen für die rhegmatogene Ablatio retinae eine Reihe von chirurgischen Methoden zur Verfügung, die je nach den entsprechenden Begleitumständen eingesetzt werden können. So besteht bei Löchern oder Rissen ohne Abhebung der Netzhaut durch eine Laser- oder Kältebehandlung die Möglichkeit, die Schichten der Netzhaut wieder fest miteinander zu verbinden. Liegt eine Abhebung der Netzhautschichten vor, so kann durch eine Eindellung der weißen Augenhaut über dem abgelösten Areal mittels einer Kunststoffplombe und die dadurch innerhalb von 2 - 3 Wochen einsetzende Vernarbung eine Therapie durchgeführt werden. Bei komplizierten Netzhautablösungen mit sehr großen Rissen und Verlagerungen der Netzhaut wird durch eine Entfernung des Glaskörpers mit anschließender Zurückverlagerung und Befestigung der Retina am Fundus mittels Laserpunkten und Auffüllen des Glaskörperbereichs mit Gas oder Silikonöl eine innere Tamponade herbeigeführt. Darüber hinaus kann bei dieser Operationsmethode den durch einen geschädigten Glaskörper ausgelösten Zugkräften vorgebeugt werden.
Lexikon der Fachbegriffe
Ablatio retinae |
Netzhautablösung |
Atrophie |
Verminderung der lebenden Substanz und ihrer Form |
Chorioidea |
Aderhaut |
Degeneration |
Verschlechterung der Leistungsfähigkeit Fehlentwicklung |
Dysplasie |
Fehlentwicklung |
Dystrophie |
Durch Mangel- oder Fehlernährung bedingte Ernährungsstörung und die daraus resultierende Degeneration |
Elektroretinogramm (ERG) |
Gerät zur Funktionsüberprüfung der Netzhaut |
Fundus oculi |
Augenhintergrund |
Kolobom |
Schließungsdefekt |
Macula |
Stelle des schärfsten Sehens |
Nervus opticus |
Sehnerv |
Ora serrata |
Hinterfläche des Ziliarkörpers |
Papilla nervi optici |
Sehnervenkopf |
Retina |
Netzhaut |
Retinoschisis |
Trennen der Netzhautblätter |
Sklera |
Weiße Augenhaut |
Stratum cerebrale |
Innenblatt der Retina |
Stratum pigmenti |
Außenblatt der Retina: Retinapigmentepithel |
Subretinaler Raum |
Raum zwischen Innen- und Außenblatt der Retina |
© 03/2011 |
Dr. med. vet. Karl-Josef Saers: Fachtierarzt für Kleintiere, Fachtierarzt für Chirurgie, Zusatzbezeichnung Augenheilkunde; Dr. med. vet. Markus Bausch: Fachtierarzt für Kleintiere, Fachtierarzt für Chirurgie, Zusatzbezeichnung Augenheilkunde; Dr. med. vet. Susanne Saers: Zusatzbezeichnung Augenheilkunde Tierärztliche Klinik für Kleintiere am Kaiserberg |
Fotos |
Dr. med. vet. Markus Bausch |
Literatur |
Literatur beim Verfasser |