Strahlentherapie bei Tieren
I. ALLGEMEINES
Oft wird der Behandlung mit Strahlen mit Vorurteilen, einem Angstgefühl und einer gewissen Ablehnung begegnet. Dies ist zwar einerseits verständlich, aber man sollte bedenken, dass viele Arten von Krebserkrankungen erst durch diese Art der Therapie geheilt werden konnten. Dies gilt v. a. bei Erkrankungen der Haut. Die moderne Strahlentherapie gilt in der Humanmedizin neben der Chirurgie und Chemotherapie als eine tragende Säule der Krebstherapie.
Ziel einer Strahlentherapie ist es, möglichst viele Tumorzellen abzutöten bei gleichzeitiger möglichster Schonung des umliegenden Gewebes. Letzteres wird in erster Linie durch eine Aufteilung (Fraktionierung) der Strahlendosis in schonende Einzeldosen erreicht. Dies gilt v.a. für die Bestrahlung mit sog. ionisierenden Strahlen (Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Elektronen). Auch UV-Bestrahlungen werden in vielen Einzelsitzungen durchgeführt. Dies kann unter Anleitung evtl. auch zuhause durchgeführt werden. Moderne Strahlentherapien wie die photodynamische Therapie erfordern oft nur eine einzige Behandlung.
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Natürlich muss auch bei Strahlentherapie mit möglichen Nebenwirkungen gerechnet werden: bei Bestrahlung der Haut kann es in erster Linie zu einer Hyperämie (vermehrten Durchblutung), einem Ödem (Schwellung) und einer feuchten Ablösung der obersten Hautschichten kommen, ähnlich wie nach einem Sonnenbrand.
Weitere mögliche lokale Nebenwirkungen sind:
Pigmentveränderungen im Sinne einer Verstärkung oder Verblassung der ursprünglichen Haut- oder Fellfarbe.
Fibrosierungen: dabei kommt es zu einer Verhärtung des Bindegewebes. Diese v.a. beim Menschen als Spätfolge bekannte Nebenwirkung sehen wir bei Tieren aufgrund der kürzeren Lebenszeit eher selten.
Bei Bestrahlungen in der Mundhöhle kann die Schleimhaut mit einer Entzündung (Mukositis) reagieren, aber auch diese Nebenwirkung finden wir beim Tier eher selten.
Diese Begleitsymptome sind allerdings durchaus kontrollierbar. Nebenwirkungen wie Durchfall oder Schädigung innerer Organe treten bei Bestrahlung von Hautkrankheiten nicht auf.
Strahlentherapien ermöglichen aufgrund der weitestgehenden Schonung der gesunden Haut oft ein viel besseres kosmetisches Ergebnis als chirurgische Maßnahmen. In Kombination von Strahlentherapie mit anderen Therapien wird die Prognose, also die Aussicht, die Erkrankung des Tieres zu heilen, erheblich verbessert. Diese Chance sollten wir für unsere Tiere genauso nutzen wie für den Menschen.
II. ARTEN DER BESTRAHLUNG
Bestrahlungen können prinzipiell von außen erfolgen (Teletherapie) oder der Tumor wird "von innen" bestrahlt (Brachytherapie). Letztere kennt man beim Menschen in erster Linie von der Behandlung des Prostata, Zungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebses.
Teletherapie / Brachytherapie
Im Gegensatz zur Teletherapie (Co-60-Geräte, Linearbeschleuniger), bei der die Strahlenquelle räumlich vom Tumor entfernt liegt, wird bei der BRACHYTHERAPIE die Strahlungsquelle direkt an oder in den Tumor verbracht. Mittels eines Hochdosis-Verfahrens (HDR) können in kurzer Zeit die erforderlichen und je nach Tumor und Lokalisation variierenden Strahlendosen verabreicht werden. Da diese Dosen im Afterloading-Verfahren verabreicht werden, verbleiben keine für den Menschen bedenkliche radioaktive Substanzen im Körper des Tieres. Dies wäre z.B. bei den aus der Prostatabehandlung des Menschen bekannten Jod-Seeds der Fall.
Teletherapiegeräte (Co-60-Geräte, Linearbeschleuniger) haben den Vorteil, auch große Körperareale bestrahlen zu können. Allerdings müssen sie gesundes Gewebe durchdringen, um an den Tumor zu gelangen. Deshalb wird zur Schonung dieses Gewebes und zur Vermeidung von Spätfolgen die nötige Gesamtdosis fraktioniert, d.h. aufgeteilt auf viele Einzelsitzungen. Die Gesamtdosis der nötigen Bestrahlung wird generell durch die Lokalisation und die Tumorart bestimmt. Um diese zu erreichen, sind im Regelfall zwischen 12 und 18 Einzelfraktionen nötig. Da Bestrahlungen aus Strahlenschutzgründen nur unter Ruhigstellung des Patienten erfolgen können, sind somit bei der Teletherapie genauso viele Narkosen nötig, was viele Patienten ihren Tieren nicht zumuten wollen. Selbstverständlich muss der immense Aufwand auch finanziell vergütet werden.
Die BRACHYTHERAPIE, die "Bestrahlung von innen" wird bei lokalen Tumoren verwendet und es werden hohe Dosen in kleinen Volumina direkt in den Tumor eingebracht. Dadurch erreicht man eine maximale Schonung des gesunden Gewebes, kurze Bestrahlungszeit und bedingt durch die hohe biologische Wirkung erreicht man die nötige Gesamtdosis in viel weniger Fraktionen. Vorteil: weniger Narkosen und somit auch weniger Aufwand und weniger Kosten bei vergleichbarer Wirksamkeit. Insgesamt überwiegen bei lokalisierten, gut zugänglichen Tumoren der Haut, des Brustgewebes oder der Maulhöhle die Vorteile der Brachytherapie.
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Der Flab verbleibt bis zur Beendigung der Bestrahlung (= ca. 1 Woche) in der verschlossenen Wunde, das Hochdosis-Brachytherapiegerät wird an die Katheter angeschlossen.
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III.Welche Bestrahlung bei welchem Tumor?
Beispiele für die Radiosensitivität einzelner oberflächlicher Tumore:
Mastzelltumor:
sehr sensitiv
Malignes Lymphom:
sehr sensitiv, auch das nasale Lymphom der Katze (nicht-lymphoide Nasentumoren der Katze sind weit weniger sensitiv)
Orale Tumoren: speziell für diese Indikation eignet sich die Brachytherapie
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Plattenepithelkarzinome: beim Hund gute Prognose, im Gegensatz zur Katze
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Epulis: sehr sensitiv
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malignes Melanom: höhere Dosis nötig, aber deutliche Verbesserung der Lebensqualität möglich; durchaus lange Residivfreiheit
Plattenepithelkarzinom des Nasenspiegels: speziell für diese Indikation eignet sich die PDT bei der Katze gute Prognose, beim Hund etwas diffiziler
Plattenepithelkarzinome auf der Nase zweier Katzen - vor und nach einer Behandlung mit PDT
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Weichteilsarkome des Hundes / Fibrosarkom der Katze: speziell für diese Indikation eignet sich die Brachytherapie geringe Sensitivität. Sarkome sind nicht "strahlenresistent", aber benötigen eine Anpassung der Dosis.
Fibrosarkom an der Schulter eines Hundes
Zustand vor Brachytherapie:
14,5cm lang, 7,5cm breit, 3cm hoch, bereits 3x operiert, schnell wieder nachwachsend rechts: Anschluß der weichen Katheter während der Bestrahlung an die Iridium-Quelle
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Interessant erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis des Klinikums der Uni München zur Behandlung des Fibrosarkoms des Menschen:
"Zitat" - Sarkome (Weichteiltumoren):
Die kurative Behandlung von Sarkomen setzt eine interdiziplinäre Therapie mit Beteiligung der Chirurgie, der Onkologie sowie der Strahlentherapie voraus. Um einen Funktionserhalt (besonders bei Tumorsitz im Bereich der Extremitäten) zu ermöglichen, wird zunehmend ein neoadjuvantes Konzept (vor Operation) angewandt, das aus der Kombination einer Chemotherapie mit Hyperthermie (=therapeutische Überwärmung) sowie einer perkutanen Strahlentherapie besteht, gefolgt von einer organ- bzw. funktionserhaltenden Operation.
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Sollte sich während der OP zeigen, dass keine vollständige Tumorentfernung möglich ist, besteht die Möglichkeit der Einlage von Brachytherapie-Schläuchen, über die eine lokale Dosisaufsättigung mit guter Schonung der umgebenden Strukturen möglich ist.
Dieses interdisziplinäre Therapiekonzept wird bisher nur von wenigen Universitätskliniken in Deutschland angeboten." (Zitat Ende).
http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-und-Poliklinik-fuer-
Strahlentherapie-und-Radioonkologie/de/behandlungsspektrum/
spezialtherapien/Brachytherapie/index.html
IV. Ablauf und Kosten
Dauer:
Die Bestrahlung dauert nur wenige Minuten und ist nicht schmerzhaft. Die Anzahl der Fraktionen richtet sich nach der Art des Tumors und der daraus resultierenden zu erreichenden Gesamtdosis. Es wird prinzipiell angestrebt, die Anzahl der Behandlungen so niedrig wie möglich zu planen. Als Richtwert sollten Sie von ca. 1 Woche Gesamtdauer der Behandlungen ausgehen. In dieser Zeit wird je nach Tumor täglich oder jeden 2. Tag bestrahlt.
Kosten:
Bestrahlungstherapien sind High-Tech-Therapien und leider nicht billig. Sollte jedoch eine Strahlentherapie zur realistischen Verbesserung der Überlebenschancen des Patienten in Erwägung gezogen werden, bietet sich mit der Brachytherapie im Vergleich zu Teletherapien (Linearbeschleuniger, Co-Geräte) eine vergleichbar kostengünstige Alternative an. Dies gilt für die Behandlung solitärer Tumoren, da Brachytherapie-Geräte nicht für die Ganzkörpertherapie geeignet sind. Bei diesen erreicht man allerdings den gleichen Effekt bei geringeren Kosten! Abhängig vom Aufwand und der Tierart bewegen sich die Therapien im Bereich 1500 - 2500 € und beinhalten die Behandlungskosten und den technischen Aufwand.
Möglicher Ablauf am Beispiel Fibrosarkom:
Es gibt leider keine Behandlung, die mit einer einzigen Bestrahlung erledigt ist. Der zeitliche Abstand hängt von der Art der gewählten Therapie ab und somit auch von der Summe, die Sie investieren wollen. Die Brachytherapie ist die sicherste Variante, aber auch die teuerste und wird wie beim Menschen durchgeführt. Sie erfordert z.B. auch die Mitarbeit eines Physikers, da mit radioaktivem Material gearbeitet wird. Mit der Brachytherapie kann unter max. Schonung des gesunden Gewebes bestrahlt werden. Am Tag der Op wird der Tumor entfernt und in das Tumorbett werden Kunststoffkatheter gelegt. Die Bestrahlung erfolgt bereits kurz nach der Op und beinhaltet 4 Fraktionen alle 2 Tage. Zur Bestrahlung ist keine Narkose nötig, da der Falb die richtige Lage garantiert. Gesamtkosten (ohne Unterbringung) netto ca. 1800 bis 2200 €.
Bei der Orthovoltage wird operiert und das 1. Mal am selben Tag das Wundbett bestrahlt ohne Beteiligung der Haut, damit diese geschont wird. Dann muss man 2 Wochen warten und es erfolgen in wöchentlichem Abstand die restlichen 4-5 Bestrahlungen des operierten Bereichs mit Sicherheitsabstand. Kosten: OP-Kosten (abhängig von Dauer und Schwierigkeit) sowie 5-6 Mal ca. 90-100 €.
V. AKTUELL:
NEU: Seit kurzem gibt es die Initiative "Haustierarzt operiert - Wir bestrahlen"! Da viele Fibrosarkome nach alleiniger Operation innerhalb kürzester Zeit wieder nachwachsen können, gibt es jetzt die Möglichkeit, dass Ihr Haustierarzt gleich im Anschluss an die Operation ein Kissen mit Kathetern im Tumorbett fixiert. Über diese Katheter können restliche Tumorzellen abgetötet werden, um das Risiko des Nachwachsens zu minimieren.
Details unter www.strahlentherapie-fuer-tiere.de
© 11/2012 |
Dr. Ulrich Wendlberger |
Fotos | Fotos: Dr. Ulrich Wendlberger |