Hunde und Silvester

Der Jahreswechsel mit Hunden sollte wohl durchdacht werden, selbst bei Hunden, die sich bereits als feier- und knallfest erwiesen haben. Hunde, die dieses Jahr ihr erstes Silvester erleben werden oder auch erwachsene Hunde, die noch kein Silvester in der neuen Familie erlebt haben, sollen keine Probleme mit Silvester entwickeln. Nicht zuletzt gibt es auch noch die "Sorgenkinder", die bereits ein Problem mit Silvester haben.

Gegenüber lauten Knallgeräuschen entstehen nämlich besonders schnell Angstprobleme. Aber auch Zischgeräusche und Lichtblitze können vom Hund als beängstigend empfunden werden. 

 

Besonders schnell sind geräuschempfindliche und allgemein ängstliche Hunde betroffen. Eine normale Reaktion auf ein lautes Geräusch ist Schreck. Bleibt das Geräusch ohne Folgen für den Hund, erschrickt er bei darauf folgenden Malen etwas weniger, dann noch weniger und schließlich gar nicht mehr.  Er gewöhnt sich an das Geräusch. Wird aber das Geräusch als besonders unangenehm empfunden oder es passiert im Zusammenhang mit dem Geräusch etwas Schlechtes für den Hund, entsteht Angst. Angst zu haben, ist ein extrem schlechtes Gefühl, sodass es schnell zu einer Verschlimmerung kommt. Der Hund reagiert bei weiteren Malen immer empfindlicher bis hin zu übersteigerten Angstreaktionen, die, gemessen am Auslöser, völlig unpassend erscheinen.

 

Im Weiteren besteht eine große Gefahr, dass der Hund seine Angst nicht nur mit dem ursprünglichen Auslöser in Verbindung bringt, sondern mit weiteren Umweltreizen verknüpft. Das können die Orte sein, an denen er schon einmal Angst hatte, andere Geräusche, irgendwelche Dinge, wie z. B. Mülltonnen, aber auch andere Hunde oder Menschen. Es kommt lediglich darauf an, was der Hund direkt vor dem Angst auslösenden Knall bewusst wahr genommen hat. So z. B. als ob quasi ein bestimmter Typ Mann "Schuld" an der Angst gewesen sei. Der Hund kann in einen regelrechten Teufelskreis geraten bis er sich schließlich nicht mehr vor die Tür traut, weil er Angst davor hat, dass wieder etwas passieren könnte, wovor er Angst hat.

Um zu vermeiden, dass der Hund eine Angst vor Knallgeräuschen entwickelt, lässt sich einiges unternehmen. Man muss also nichts dem Zufall überlassen.
Bereits beim Züchter liegt die erste Verantwortung. So dürfen nur Hunde zur Zucht genommen werden, die nicht allgemein ängstlich oder geräuschempfindlich sind. Sind die Welpen einmal da, ist die Woche 3 bis 5 besonders wichtig. In dieser Zeit müssen Welpen Knallgeräusche erleben. Natürlich nur in einer Lautstärke, bei der auch die Mutter entspannt ist, ansonsten lieber in Phasen, in denen die Mutter gerade nicht bei den Welpen ist. Aber auch in der weiteren Zeit ist es wichtig, dass die Welpen immer wieder Knallgeräusche hören. Dabei muss man die Lautstärke so dosieren, dass die Welpen dabei entspannt und fröhlich bleiben. 

Eine besonders einfache Möglichkeit zur Geräuschgewöhnung bieten Geräusch-CDs. Sie sind auch über Ihren Tierarzt erhältlich. Diese CDs können bequem zu hause abgespielt werden. Achten Sie darauf, dass Ihr Hund während des Abspielens entspannt und fröhlich bleibt. Alle paar Tage drehen Sie die Lautstärke minimal höher. Die Voraussetzung dafür ist natürlich wieder, dass Ihr Hund dabei entspannt und fröhlich bleibt.

Ist die Zeit des Knallens gekommen, legen Sie die Spaziergänge mit Ihrem Hund an Orte und zu Zeiten so, dass eine größtmögliche Chance besteht, dass sie nicht unverhofft auf Leute treffen, die Knaller werfen. Wählen Sie, soweit das möglich ist, für den großen Spaziergang den frühen Morgen, wo die Möglichkeit besteht, dass die "knallfreudigen" Menschen noch nicht unterwegs sind. Gehen Sie mit Ihrem Hund auf keinen Fall zusammen mit einem ängstlichen oder einem Hund mit bekannter Knallangst spazieren. Denn die Angst des anderen Hundes kann den Ihren verunsichern und die Entstehung einer Knallangst unterstützen.
Knallt es irgendwo, tun Sie so als ob nichts gewesen wäre. Das einzige, was Sie tun dürfen, ist, Ihrem Hund sofort ein besonders schmackhaftes Leckerchen zu geben oder sein Lieblingsspielzeug zu werfen. Stürzen Sie aber nicht hektisch zu ihm, sondern geben Sie es ihm fast beiläufig und dennoch zeitlich in direkter Folge nach dem Knall. Das wird bei einem Leckerchen also nur möglich sein, wenn Ihr Hund gerade dicht genug bei Ihnen ist.

Ein Hund mit bestehender Knallangst muss um Silvester herum an der Leine geführt werden, denn er könnte in Panik weglaufen und sich und andere gefährden. Zwingen Sie ihn nicht zu Spaziergängen, sondern gehen Sie nur soviel nach draußen, wie unbedingt notwendig ist. Sie können an den Tagen um Silvester herum nur versuchen, ihn von weiteren Angsterlebnissen so weit wie möglich fern zu halten. Ihn davon zu überzeugen, dass er keine Angst haben bräuchte, ist in Situationen, in denen es knallt, nicht möglich. Alles was Ihr Hund dann empfindet ist Angst. Er kann nicht mehr richtig denken und daher auch keine bekannten Kommandos befolgen. Seien Sie in kritischen Situationen für Ihren Hund der Fels in der Brandung, bewahren Ruhe und bringen Ihren Hund aus der Gefahrenzone.

 

Am Silvesterabend sollten Sie Ihren Hund nicht allein lassen, vor allem nicht am ersten Silvester und nicht bei einem bekannten Angstproblem. Die Gesellschaft eines Althundes kann sich bei jungen Hunden positiv auswirken. Allerdings darf dieser natürlich keine Knallangst haben, sonst erreichen Sie den gegenteiligen Effekt.

Schließen Sie am Abend alle Fenster, Rollläden und Vorhänge. Machen Sie Musik und/oder den Fernseher an, sodass die Knallerei möglichst gedämpft wird. 

Besorgen Sie sich für die Silvesternacht einen besonders beliebten Kauartikel, wie z. B. ein getrocknetes Rinderohr, den Ihr Hund schon länger nicht mehr bekommen hat. Geben Sie dies Ihrem Hund ein paar Minuten vor 24 Uhr, sodass Ihr Hund bereits selig kaut, wenn die große Knallerei losgeht. Gehen Sie nicht während des Knallens mit Ihrem Hund nach draußen, sondern legen Sie die notwendigen kurzen "Gassi-Gänge" möglichst weit von 24 Uhr entfernt. 

Hat Ihr Hund keine Probleme mit Silvester, nehmen Sie ihn bitte trotzdem nicht um Mitternacht mit zum Knallen nach draußen. Es kann doch einmal ein Knaller so dicht vor den Hund fallen, dass er Angst bekommt und daraufhin ein Problem entwickelt. Bei apportierfreudigen Hunden besteht außerdem die Gefahr, dass sie geworfene Knaller zurückbringen, was zu üblen Verletzungen führen kann.

Zeigt Ihr Hund Angst, gehen Sie überhaupt nicht darauf ein. Tun Sie so als ob nichts wäre. Versuchen Sie auf keinen Fall Ihren Hund zu beruhigen, sie würden ihn lediglich in seiner Angst verstärken. Lassen Sie ihn sich dort verstecken, wo er möchte und lassen ihn in Ruhe. Möchte sich ihr Hund bei Ihnen anschmiegen, lassen Sie das zu, aber kümmern Sie sich nicht um ihn. Tun Sie so als ob Sie keine Zeit für ihn hätten und lassen sich ihre Sorge nicht anmerken.
Hat Ihr Hund durch einen üblen Zufall ein traumatisches Erlebnis und ist völlig verstört, gibt es die Möglichkeit über die einmalige Gabe eines bestimmten Medikamentes das Abspeichern dieses Erlebnisses im Gehirn mit großer Wahrscheinlichkeit zu verhindert. Denn ein einmaliges traumatisches Erlebnis kann ausreichen, um ein handfestes Angstproblem entstehen zu lassen.

Wissen Sie bereits, dass Ihr Hund an Silvester Angst haben wird, gibt es die Möglichkeit, seine Angst mit Hilfe von Medikamenten zu verringern. Sprechen Sie frühzeitig Ihren Haustierarzt auf ein Angst lösendes (nicht ruhig stellendes) Medikament an. Denn es ist sinnvoll, bereits vor Silvester einmal zu testen, wie Ihr Hund auf ein passendes Medikament reagiert. Auch mögliche Nebenwirkungen sollten rechtzeitig genau besprochen werden.

Nach Silvester sollten Sie unbedingt beginnen, mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Maßnahmen an dem Problem Ihres Hundes zu arbeiten, denn dann haben Sie noch ein Jahr Trainingszeit bis zum nächsten Silvester. Bis Karneval ist die Trainingszeit in vielen Fällen vermutlich zu kurz. Haben Sie die Techniken zum Abbau der Knallangst einmal erlernt, können Sie sie zu hause in kurzen täglichen Übungen umsetzen. Es ist allerdings auch ein gewisses Durchhaltevermögen gefragt. Eine Angst zu entwickeln kann sehr schnell gehen, sie wieder abzubauen dauert leider ungleich länger.

 

 

© 12/2008 

Karina Mahnke, Tierärztin, Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie 
Linienstr. 72, 40227 Düsseldorf
E-mail: karina.mahnke@web.de