Ein Arbeitstag einer Zootierärztin

Um 7.45 Uhr beginnt der Tag im Zoo. Im Büro des Direktors gibt es eine Morgenbesprechung, bevor es um 8.00 Uhr zur Morgenrunde in den Park geht. Hierbei werden alle zwölf Reviere des Zoos besucht, tierärztliche Termine, sowie Tiertransporte und Aktuelles vereinbart und besprochen.

An diesem Morgen steht eine Vasektomie (Sterilisation) bevor. Ernst, der Chef der Mandrillgruppe, ist in der Population überrepräsentiert und soll deshalb zuchtunfähig gemacht werden. Trotzdem soll er seine Statur, seine wunderschöne Farbe sowie seine Stellung in der Gruppe nicht verlieren. Dafür ist das Hormon Testosteron mitverantwortlich, welches u.a. in seinen Hoden produziert wird. Das ZDF ist schon vor Ort, um die ganze Prozedur zu filmen. Die Anwesenheit der Medien bei täglichen Eingriffen ist im Zoo Duisburg schon Routine, nervös ist hier keiner mehr. Außer Ernst, denn der weiß schon lange, dass es bald losgeht. Spätestens seit gestern Abend, als das Abendessen ausgefallen ist, zeigt sich die gesamte Gruppe aufgeregt. Ernst soll vor seiner Narkose nüchtern sein und damit er nicht bei den anderen mitfrisst, müssen alle fasten. Die Narkose selbst wird per Blasrohrpfeil geschossen. Das ist gar nicht so einfach, da die Affen genau wissen, was als Nächstes passiert und versuchen dem Pfeil auszuweichen. Ernst treibt es dabei auf die Spitze. Keine Sekunde sitzen bleiben, immer den Po zur Wand drehen und bei Gelegenheit die Frauen als Schutzschild nehmen, lautet seine Devise. Aber man muss nur lange genug warten und schont trifft der Pfeil aus dem Blasrohr des Doktoranden Dimitri Widmer souverän den rechten Oberschenkel. In Sekundenschnelle hat Ernst ihn herausgezogen und zerbeißt ihn komplett. Dies ist ein Zeitpunkt bei dem auch wir ganz genau aufpassen müssen. Affen schaffen es tatsächlich einen Pfeil aus der Luft zu fangen und diesen gezielt zurück zu werfen.




 

Nach ca. 15 Minuten schläft Ernst tief und fest und kann in den OP getragen werden. Ein Venenverweilkatheter garantiert eine schnelle Narkoseverlängerung, falls erforderlich. Mandrills können sehr gefährlich sein und mit ihrem Raubtiergebiss und ihrer Kraft einen Menschen schnell lebensgefährlich verletzen. 




 

Bei der Vasektomie wird jeweils ein 1 cm langes Stück des rechten und linken Samenleiters herausgeschnitten. Die Hautwunde wird wieder vernäht. Erst in seiner Box bekommt Ernst das Gegenmittel und wacht in der nächsten halben Stunde ganz ruhig auf. 

Jetzt heißt es für uns: Ab zum nächsten Patienten. Ein Bennettkänguru hat sich angemeldet. Das Tier wird im Stall in Narkose gelegt. Sein kleines Junges muss aus dem mütterlichen Beutel kurzzeitig in einen Stoffbeutel umziehen und verbleibt im Stall. Die Mutter wird mit dem Auto zur Praxis gebracht. Das linke Auge ist geschwollen und eitrig. Nach einer lokalen Versorgung wird eine Röntgenaufnahme des Kiefers gemacht. Leider sind die Wurzeln der Backenzähne nur sehr undeutlich zu sehen und so wird ein CT Termin in der Tierklinik vereinbart. Mit Hilfe des CT wird untersucht, ob die Wurzeln betroffen sind und es sich hier evtl. um "Lumpy Jaw" , eine gefürchtete Känguru-Erkrankung, handelt. Bei dieser Erkrankung handelt es sich häufig um eine Infektion mit Fusobacterium necrophorum, die sehr aggressiv verläuft und häufig den Knochen angreift.
Die Ätiologie dieser Erkrankung ist noch ungeklärt, aber es wird entweder ein Trauma der Wurzelspitzen oder aber ein Zahnwechselproblem vermutet. Kängurus wechseln ihre Zähne ähnlich den Elefanten und schieben Backenzähne von hinten nach vorne im Kiefer durch. Dabei können Lücken entstehen, in die sich Futterbestandteile hineinsetzen können. Ober- und unterhalb des Auges befindet sich reichlich Eiter. Nun soll auch in der Klinik ein retrobulbärer Abszess (ein Abszess hinter dem Auge) ausgeschlossen werden. 
Nach gründlicher Reinigung unter Isofluran-Anästhesie wird das Tier antibiotisch versorgt und kann zurück in den Stall. 




 

Als es vollständig wieder erwacht ist, kann das Baby zurückgegeben werden. Mit einem schnellen Sprung hüpft es kopfüber in den Beutel. 

Nun müssen die übrigen Patienten versorgt werden. 

Einer griechischen Landschildkröte hat der Winterschlaf zu schaffen gemacht und sie wird langsam auf den Frühling vorbereitet. Neben Antibiotika gibt es Infusionen, bevor sie zur Gruppe auf die Anlage darf.

Die Europäischen Wildkatzen brauchen eine prophylaktische Wurmkur und der Fossakater hat eine kleine Verletzung auf der Nase, die täglich angeschaut wird. In der Zeit zwischen den Behandlungen kommt eine Futterlieferung, die begutachtet werden muss. 

Um 17.00Uhr ist dann die letzte Vorstellung im Delphinarium beendet und die Fütterung wird vorbereitet. Pünktlich zur Fütterung haben auch wir einen Termin bei den großen Tümmlern. Bei Delphi steht heute eine routinemäßige Blutentnahme an. Die ist wichtiger Bestandteil des medizinischen Trainings. Delphi legt ihre Fluke (Schwanzflosse) auf den Schoss des Trainers und erlaubt, dass die Kanüle in ein Blutgefäß gestochen wird. Serum-, EDTA-, Citrat- und Blutsenkungsröhrchen werden am Schlauchende der Butterflykanüle angesetzt und Blut wird entnommen. 




 

In der Praxis wird anschließend eine Blutsenkung gemacht, Serum wird abzentrifugiert und der Hämatokrit und die Leukozyten werden bestimmt. Die übrigen Werte werden von einem Labor analysiert.

Damit ist der praktische Teil des Tages vorbei und die Arbeit im Büro beginnt. Ein Tagesbericht wird geschrieben, Bestellungen werden aufgegeben, Termine werden vereinbart und Literatur wird gewälzt. Neben den veterinärmedizinischen Aufgaben gehört zu den Aufgaben der Zootierärztin im Duisburger Zoo auch die Verwaltung der Fütterung, das Kuratorium des Delphinariums, Sicherung der Wasserqualität und momentan auch die Planung einer neuen kleinen Klinik inklusive einer Quarantänestation.

Unser Alltag verläuft völlig anders als der eines Praktikers, aber genau das macht ihn besonders spannend. Man weiß am Morgen nie, um welche Tierart man sich heute wie kümmern muss, oder ob man nicht doch wieder den halben Tag im Baumarkt verbringt, um bestimmte Sachen zu entwickeln, die eine Behandlung unserer Tiere erst möglich macht.

 

 

© 05/2009 

Kerstin Jurczynski, Zootierärztin im Duisburger Zoo
 

Fotos  ZOO Duisburg