Die Überwinterung von europäischen Landschildkröten

Europäische Landschildkröten, wie die Griechische (Testudo hermanni), die Maurische (Testudo graeca) oder die Vierzehen-Landschildkröte (Agrionemys (Testudo) horsfieldii) legen in der kalten Jahreszeit eine Ruhephase ein. Die Herzfrequenz und Atmung werden extrem heruntergefahren, der Energieverbrauch wird dadurch auf ein Minimum reduziert. Wie bei unseren einheimischen Reptilien ist dies die beste Möglichkeit, die für wechselwarme Tiere lebensfeindliche und futterlose Jahreszeit zu überstehen. Dies ist ab dem ersten Lebensjahr notwendig, denn durch die Hibernation wird nicht nur dem Winter aus dem Weg gegangen, sie ist zudem auch unverzichtbar für ein intaktes Immunsystem, korrektes Wachstum und einen gesunden Hormonhaushalt. Wird die Winterruhe ausgelassen, sinkt die Lebenserwartung der Tiere und bei Jungtieren kommt es durch zu schnelles Wachstum zu Verkrüppelungen. Daher dürfen die Tiere keineswegs den Winter im Terrarium oder der Wohnung verbringen. Niedrige Temperaturen sind Voraussetzung für eine schadlose Überwinterung. Bei einer optimalen Haltung europäischer Landschildkröten befinden sich die Tiere ganzjährig im Freigehege und werden lediglich zur Überwinterung in den Kühlschrank befördert. Eine Übergangsphase im Haus ist keineswegs anzuraten, denn hierdurch kann sich der Organismus nicht korrekt auf die Winterstarre vorbereiten.





Nur tropische Arten oder diese Tunesische Landschildkröte (Testudo graeca nabeulensis) 
dürfen den Winter über wach bleiben.


 

Da bei der Überwinterung im Freigehege viele Gefahren lauern, wie zum Beispiel Fraßverletzungen durch Ratten und es auch im Keller zu starken Temperaturschwankungen kommen kann, ist der sicherste Ort für die Überwinterung der Kühlschrank. So können alle Parameter durch den Halter selbst bestimmt und gesteuert werden, und er hat die Möglichkeit die Tiere regelmäßig zu kontrollieren.
Für uns "Säugetiere" ist dies natürlich eine befremdliche Vorstellung, wir haben Mitleid mit den Tieren in der Kälte und möchten sie schon gar nicht in den Kühlschrank legen. 
Daher wird im Folgenden die korrekte Vorgehensweise zur Einwinterung von europäischen Landschildkröten erläutert. 

ALLE gesunden europäischen Landschildkröten müssen überwintern. Auch Jungtiere, die nur wenige Wochen alt sind, können bereits eine mehrmonatige Winterruhe verkraften, genauer gesagt ist diese der gesunden Entwicklung sehr zuträglich. Lediglich kranke, trächtige oder stark abgemagerte Tiere sollten vorerst wach bleiben und können dann ggf. verspätet eingewintert werden. Die "licht- und wärmebetriebenen" Reptilien stellen mit abnehmenden Temperaturen und kürzer werdenden Tagen die Nahrungsaufnahme langsam ein. Da sich in ihrem Verdauungstrakt die Nahrung einer gesamten Woche befindet, verlieren die Tiere somit vor der Winterruhe scheinbar an Gewicht. Durch Bäder werden die Tiere zum Kotabsatz angeregt und zusätzlich besteht auch die Möglichkeit der Flüssigkeitsaufnahme. Auch während dieser Zeit soll Futter angeboten werden; die Tiere werden von alleine weniger bis nichts mehr fressen. Ein "Winterspeck" sollte nicht angefressen werden, denn hierdurch könnten sogar organische Schäden entstehen. Im Idealfall werden die Tiere vom anfänglichen "Leergewicht" gar nichts verlieren. 

Vorbereitung 
Einige Wochen vorher jedoch ist es ratsam eine Kotuntersuchung durchführen zu lassen. Hierbei können eventuelle parasitäre Infektionen aufgedeckt und gegebenenfalls behandelt werden. Eine prophylaktische Wurmbehandlung ohne Untersuchung ist nicht sinnvoll, da so andere Parasiten nicht entdeckt werden können und eventuell Schildkröten mit Medikamenten behandelt werden, die sie gar nicht brauchen. Allerdings sollten auch bei einem positivem Befund, also wenn Würmer oder Wurmeier gefunden werden, nur Tiere behandelt werden, die noch aktiv sind und fressen. Abgetötete Würmer sollten noch ausgeschieden werden können, also sollte noch mindestens zwei Wochen nach der Wurmbehandlung Kotabsatz stattfinden. 

Durch thermostatgesteuerte Frühbeete lässt sich der Spätsommer noch etwas verlängern, jedoch muss man mit sinkenden Temperaturen damit rechnen, dass die Tiere bald immer inaktiver werden, jegliche Aktivität einstellen und sich beginnen einzugraben. Ist das Gehege zu groß oder unübersichtlich empfiehlt es sich dann oft, die Tiere in eine Einwinterungskiste (die selbstverständlich auch draußen und regensicher stehen sollte) zu überführen, um zu vermeiden eingegrabene Tiere eventuell nicht auffinden zu können. In einem Gemisch aus Erde und Laub können sich die Schildkröten dann darin eingraben. Sind sie dann mehrere Tage verschwunden, sind sie bereit für den Umzug in den Kühlschrank.

Die Überwinterungskiste und der Kühlschrank
Als Kiste eignet sich am besten eine Kunststoffkiste mit vielen Luftlöchern. Staunässe sollte vermieden werden, wie auch Schimmelbildung (im Falle von Holz- oder Pappschachteln). Eine handelsübliche Aufbewahrungsbox aus dem Baumarkt (mit einem Lötkolben lassen sich leicht Luftlöcher produzieren) ist ebenso geeignet wie diverse Kisten aus dem Zoofachhandel.
Bevor die Tiere in die Kiste eingebettet werden, sollten sie sich nicht nur selbst eingewintert haben, es ist auch ratsam die Kiste vorher "probelaufen" zu lassen. Die fertig eingerichtete Kiste wird mit einem Thermometer versehen (am besten eine Sonde eine elektronischen Thermometers außerhalb des Kühlschrankes), um zu kontrollieren, wie hoch die tatsächliche Temperatur in der Kiste ist und ob diese konstant ist. In vielen Kühlschränken kommt es zu starken Temperaturschwankungen und auch nicht an jeder Stelle im Kühlschrank ist die Temperatur gleich. Die optimale Überwinterungstemperatur beträgt 2-6° C. Temperaturen unter 0° C sollten vermieden werden um Frostschäden zu vermeiden, bei höheren Temperaturen kommt es häufig zu Gewichtsverlust und anderen Problemen.
Die Füllung der Kiste kann aus verschiedensten Materialien bestehen. Grobe Hobelspäne (kein Kleintierstreu) sind geeignet, ebenso wie Kokosfaser-Sand-Gemisch, Buchenlaub (oder ähnliches ungiftiges, wenig moderndes Laub) sowie Sphagnum-Moos. Letzteres lässt sich im Zoofachhandel getrocknet erwerben. Es hat den Vorteil, dass die Tiere leicht zur Routinekontrolle herauszunehmen sind und gut Feuchtigkeit speichert. Da die Luft im Kühlschrank sehr trocken ist (kalte Luft kann weniger Wasser binden als warme) und somit auf die Dauer schädlich für die Tiere sein könnte, sollten die Tiere leicht feucht (nicht nass!) eingepackt sein.




Winterruhekontrolle: In angefeuchtetem Sphagnum-Moos sind die Tiere gut eingebettet. 
Bei den regelmäßigen Kontrollen wird das Gewicht notiert. Die Sonde eines elektrischen 
Thermometers befindet sich in der Kiste selbst, so dass stets die tatsächliche Temperatur 
abgelesen werden kann ( 2° - 6° C).


 

Haben sich die Tiere dann bei ca. 10° C komplett verkrochen, sind sie bereit "umgetopft" zu werden, nach Möglichkeit jedes Tier in eine eigene Kiste. Mit der Kiste werden sie nun im Kühlschrank untergebracht. Hierzu ist jeglicher Kühlschrank geeignet. Besser ist es einen separaten Kühlschrank zu verwenden, oder einen Flaschenkühlschrank im Keller, zur Not ist aber auch der Küchenkühlschrank geeignet. Auf Sauberkeit sollte geachtet werden (siehe auch die Hinweise über Salmonellen auf www.agark.de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen.html). Geräusche und Erschütterungen stören die Schildkrötenruhe jedoch kaum. 

Regelmäßige Kontrollen
Eine regelmäßige Kontrolle der Tiere ist wichtig, um Probleme rechtzeitig erkenne zu können und Verluste zu vermeiden. Hier ist zu bedenken, dass es sich um keinen Schlaf im eigentlichen Sinne handelt. Wir wecken die Tiere also nicht, wenn wir sie kurz aus der Kiste herausnehmen, selbst wenn sie leichte Reaktionen zeigen. Es handelt sich um eine Kältestarre und wenn die Tiere nicht "aufgetaut" werden, wachen sie auch nicht auf.
Bei diesen Kontrollen, die alle 7-14 Tage stattfinden sollten, werden die Tiere gewogen und das Gewicht notiert und verglichen (im Idealfall verlieren die Tiere gar kein Gewicht; ab einem Verlust von 10 Prozent oder mehr sollten Sie Ihren Tierarzt konsultieren). Des weiteren ist der Panzer auf Erweichungen und Rötungen zu kontrollieren, die Augen (eingesunken, hervorgequollen, Ausfluss etc.) sowie die Nasenlöcher. Ist alles in Ordnung werden die Tiere zurückgesetzt und das Moos gegebenenfalls neu angefeuchtet.
Je nach Größe des Kühlschrankes reicht die durchgeführte Belüftung aus, kleinere Geräte können öfter geöffnet werden.




Der Panzer der Tiere sollte regelmäßig kontrolliert werden. Leichte Rötungen können 
sich unbehandelt schnell zu schweren Einblutungen mit Erweichung des Panzers entwickeln.


 

Dauer der Winterruhe und Frühlingserwachen
Wenn das Wetter im Frühjahr wieder schildkrötenfreundlich wird, können die Tiere aus dem Kühlschrank wieder ins Gehege überführt werden. Auch hier ist ein Frühbeetkasten sinnvoll, um die Schildkröten vor eventuellen Temperatureinbrüchen zu bewahren. Die Dauer der Winterruhe richtet sich nach der unseres Winters. Wecken wir die Schildkröten zu früh, müssen sie zwangsweise in Übergangsbehältern untergebracht werden, was zu vermeiden sein sollte. Ruhezeiten von acht Wochen bis zu sechs Monatensind akzeptabel.
Bis die Tiere dann wieder zu fressen beginnen können noch 2 Wochen vergehen. Warme Bäder lassen die Tiere Flüssigkeit aufnehmen und regen sie an.

Es gibt wie erwähnt viele Methoden Schildkröten zu überwintern. Mit der beschrieben Technik können Sie Ihre Pfleglinge jedoch sicher über den Winter bringen. 
Auch wenn manche Tiere bereits seit 50 Jahren im Garten überwintern oder sogar noch nie überwintert haben, ist es nie zu spät die Vorgehensweise zu verbessern.

 

Lesetipps und Links:

"Fester Panzer - weiches Herz" - hervorragendes unkompliziertes Buch für jeden Halter europäischer Landschildkröten Ein Ratgeber zur naturnahen Haltung Europäischer Landschildkröten (Broschiert)

Weitere Informationen zur Haltung von Landschildkröten sowie deren Parasiten finden Sie auf meinen Internetseiten www.reptilientierarzt.de und www.reptilientlabor.de.

In Notfällen oder bei Fragen zu oder während der Winterruhe finden Sie ein Notruf- und Beratungstelefon unter www.reptiliennotruf.de. 

Der Text und die Bilder auf dieser Seite unterliegen dem Copyright und dürfen weder ganz noch auszugsweise kopiert oder anderweitig verwendet werden.

Ich wünsche Ihren Tieren eine gute Winterruhe und ein frohes Erwachen im Frühjahr! 

Kornelis Biron, Tierarzt

 

© 10/2009 

Kornelis Biron, Reptilienpraxis 
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