Burn-out

 

Alle Arbeit für die Katz? Tierärzte unter Stress 

Tierärzte und Tierärztinnen sind in Bezug auf berufsbedingten Stress in einer doppelt schwierigen Situation. Zum einen begegnen sie den Freuden, aber eben auch den hohen beruflichen Ansprüchen, den eine tierärztliche Tätigkeit mit sich bringt. Das geht weit über das fachliche Wissen und technische Können hinaus. Denn ebenso sind nämlich emotionale und soziale Kompetenz sowie mentale Leistungsfähigkeit gefragt, um als Tierarzt/-ärztin bestehen zu können.

Die niedergelassen Tierärzte* (*Im weiteren Text wird, wenn die Gesamtgruppe der Tierärzte und Tierärztinnen gemeint ist, der Einfachheit halber die männliche Schreibweise benutzt.) und Tierärztinnen, sind nicht nur Tierarzt bzw. Tierärztin, sondern auch Unternehmer und ggf. Führungskräfte. Die damit verbundenen Aufgaben, wollen neben den primär ärztlichen Aufgaben gemeistert werden. Die angestellten Tierärzte – sei es in einer Klinik oder in einer anderen Institution – müssen sich in ein Team integrieren, sich mit einer eingeschränkten Autonomie und fixen – bisweilen unliebsamen und (über-)fordernden – beruflichen Rahmenbedingungen arrangieren. Das alles bedeutet einen hohen persönlichen Einsatz, lädt zur Verausgabung ein – gerade bei knappen Budgets und hohem Leistungs- und Servicedruck. 


 

Maladaptiver Stress ist eine Folge von chronischer Verausgabung und dauerhafter Vernachlässigung eigener Bedürfnisse. Die Folge: Tiefgreifende psychophysische Erschöpfung sowie kognitive, emotionale und motivationale Einbußen machen sich langfristig in allen Lebensbereichen und auch in den vormals einfachsten und banalen Tätigkeiten (wie z.B. Zeitungslesen) bemerkbar. 

Für am Patienten tätige Veterinärmediziner kommt für die meisten in Bezug auf berufsbedingten Stress ein weiteres entscheidendes Element hinzu: Sie befinden sich mit Ihrer Praxis auf dem freien Markt. Krankenkassen für Tiere gibt es nicht richtig wie in der Humanmedizin. Und ebenso existieren keine Zulassungsbeschränkungen für Niederlassungen als Tierarzt. Daraus ist zu schlussfolgern, dass der Wind, der durch die Veterinärmedizinbranche weht, eine „verdammt rauer“ ist, dem man erst mal gewachsen sein will. 

Die Beobachtung und Erfahrung zeigt: Das Dilemma vieler niedergelassener Tierärzte ist ein zu niedriger Abrechnungsschlüssel oder das nicht genaue Aufschlüsseln der einzelnen erbrachten Leistungen, wodurch einige abrechnungsfähige Leistungen unter den Tisch fallen. Auf Dauer zahlt sich das im negativen Sinne aus: Der Tierarzt zahlt zu! Ein weiteres häufiges Problem sind die kundenorientierten, aber kräftezehrenden, Praxisöffnungszeiten. Und nicht zuletzt ist für den Praxisbesitzer die Zeit, die er für Unternehmeraufgaben (wirtschaftliche und personelle Aspekte) aufbringt, eine Zusatzaufgabe, die in ihrem Umfang oft deswegen unterschätzt wird, weil angenommen wird, dass sie „schon irgendwie“ zu handhaben sei. Primär sehen sich viele niedergelassene Tierärzte als Tierärzte und nicht als Unternehmer. Das ist so lange in Ordnung bis man der Versuchung erliegt, alles nicht-tierärztliche „so nebenbei“ zu machen. Der immense Stress, der sich dann auf Dauer einstellt, ist ein hohes Risiko für die Gesundheit. In den privaten Tierkliniken entsteht für die Klinikleiter das gleiche Problem, für die Assistenten eine hohe Belastung durch die zahlreichen (Nacht-)Dienste. Wird der subjektive Stress so hoch, dass er auf Kosten der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse und einer individuellen Lebensbalance geht, dann besteht die Gefahr, in ein Burn-out hineinzurutschen. 

Ein Burn-out lässt sich als somato-psycho-soziales Syndrom beschreiben. Somatisch können Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen, Appetitstörungen bis hin zu Gastritis und Magengeschwür, Blockaden der Wirbelkörper bis zu Bandscheibenschäden, Störungen der Fertilität und der sexuellen Potenz sowie Schlafstörungen u.v.m. entstehen. Eine erhöhte innere Unruhe und Anspannung rauben den Schlaf. Vermehrte Müdigkeit und Erschöpfung können ebenso auftreten. Der Wunsch nach Ruhe kann verführen, vermehrt zu Alkohol oder Tabletten zu greifen. Psychisch leiden Betroffene oft unter erhöhter innerer Anspannung, Depressivität und Ängstlichkeit, unter zunehmendem Perfektionismus bis hin zur Zwanghaftigkeit, unter Denkblockaden und Konzentrationsstörungen bis zu Entscheidungsunfähigkeit. Verlust von Lebensfreude und Kreativität bedingt das Gefühl, nur noch zu funktionieren, sich nicht mehr zu spüren. Sich beschämt und als Versager zu fühlen, fördert Suizidalität. Sozial ziehen sich die Menschen zurück, vermeiden Konfliktaustragung aus Angst, ihre Contenance zu verlieren, in Weinen auszubrechen oder laut zu werden. Sie vernachlässigen Geselligkeit und Freizeitaktivitäten, grenzen sich aus. Eine sichere Diagnostik hilft, rechtzeitig therapeutisch reagieren zu können. 




Ein therapeutisches Gespräch dient nicht nur der Diagnostik, es fördert die Auseinandersetzung mit sich selbst und ist Teil eines inneren Prozesses mit dem Ziel der wieder gewonnenen Lebensbalance und -freude. 

 

Die Entwicklung eines Burn-out verläuft oftmals über Jahre. Der Betroffene bemerkt nicht mehr, hat sich daran gewöhnt, einseitig auf Leistung zu fokussieren und andere Bedürfnisse nicht zuzulassen. Nahestehende Menschen sind am ehesten in der Lage den Betroffenen darauf hinzuweisen, dass er sich verändert hat und etwas tun sollte. Ist die Burn-out-Entwicklung schon weiter fortgeschritten und zeigen sich erste somato-psycho-soziale Warnsignale, ist Therapiebedarf abzuklären. Körperlichen Symptome sowie seelische Störungen und negative sozialen Auswirkungen erfordern eine komplexe psychotherapeutisch-medizinische Diagnostik und Behandlung. 

 

© 10/2011

Dr. Dipl.-Psych. K. Geuenich 
Dr. med. W. Hagemann 

Akademie für Psychosomatik in der Arbeitswelt 
Röher Parkklinik
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